Säule 1, Betrag B – eine Präzisierung der Anwendungsregeln, aber Unsicherheit bei der Anwendung.

Während sich die internationalen Steuernachrichten 2024 auf die Anwendung der neuen Pillar-2-Regeln konzentrieren (die den Steuerwettbewerb zwischen verschiedenen Ländern durch die Anwendung eines weltweiten Mindeststeuersatzes von 15% auf die Gewinne multinationaler Unternehmen einschränken sollen), veröffentlichte die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) am 19. Februar 2024 ihren Bericht über den Betrag B der Säule 1.

Zur Erinnerung: Säule 1 ist in zwei Beträge unterteilt:

– Betrag A, der neue Verteilungsregeln der Gewinnbesteuerungsrechte von Konzernen unabhängig von ihrer physischen Präsenz vorsieht;

– Betrag B, der neue Regeln zur Vereinfachung und Rationalisierung von Verrechnungspreisen und insbesondere des Fremdvergleichsgrundsatzes für sogenannte „Routine “-Marketing- und -Vertriebstätigkeiten vorsieht.

Angesichts seiner potenziellen Anwendung ab dem 1. Januar 2025 ist es notwendig, eine Bestandsaufnahme dieser steuerlichen Neuigkeiten zu erstellen:

1. Säule 1 Betrag B: Was steht auf dem Spiel?

Der OECD-Bericht geht von einer Feststellung aus: Die Marketing- und Vertriebstätigkeiten stellen einen bedeutenden Tätigkeitsanteil multinationaler Konzerne dar, aber auch einen bedeutenden Teil der Streitigkeiten zwischen Steuerverwaltung und Steuerzahler, bei der Infragestellung von Vergleichen und der angewandten Verrechnungspreispolitik.

Mit der potenziellen Einführung der in Säule 1, Betrag B genannten Regeln werden drei Ziele verfolgt:

– Verringerung der Befolgungslast der Steuerpflichtigen durch Vereinfachung und Rationalisierung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes,

– Schaffung von Rechtssicherheit,

– Verringerung des Risikos, dass der Fremdvergleichsgrundsatz im Falle einer Steuerprüfung in Frage gestellt wird.

2. Säule 1 Betrag B: Welche Aktivitäten sind betroffen?

Im Gegensatz zu Säule 2 oder Säule 1 Betrag A gilt Säule 1 Betrag B für alle Konzerne, ohne Unterscheidung oder Schwellenwerte, wenn die von dem Konzern ausgeübte Tätigkeit in den Anwendungsbereich dieser neuen Regelung fällt.

In diesem Zusammenhang sind die folgenden Tätigkeiten von Säule 1 Betrag B betroffen:

– Die Großhandelsvertriebs- und Warenvermarktungstätigkeit an nicht damit verbundene Parteien (das sogenannte B2B).

– Die Tätigkeiten von Vermittlern (Handelsvertreter und Kommissionäre), welche am Warengroßhandelsvertrieb nicht damit verbundene Parteien beteiligt sind.

Als Beispiel führt die OECD in ihrem Bericht vom 19. Februar 2024 eine nicht vollständige Liste an Vertriebsfunktionen an:

– Die Verkaufsfunktion von einem damit verbundenen Unternehmen und die des Weiterverkaufs an eine nicht damit verbundene Partei,

– Das Kundenakquise,

– Die Einlagerung,

– Die Rechnungsstellung,

– Die Durchführung von Verkaufsförderungs- oder Werbemaßnahmen.

Folglich ist Einzelhandel grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, er repräsentieren weniger als 20% der Gesamtnettoeinnahmen des Vertriebs- und Marketingunternehmens.

Darüber hinaus hat der OECD-Bericht auch eine nicht ausführliche Liste von ausgeschlossenen Tätigkeiten aufgestellt, wie z. B. Herstellung, F&E, Finanzierung, Verkauf von immateriellen Gütern, Dienstleistungen oder der Verkauf von Gütern, die unter die Definition von „Grunderzeugnissen“ fallen, wie Mineralien oder landwirtschaftliche Produkte.

Selbst wenn das Unternehmen eine Vertriebs- und Marketingtätigkeit ausübt, muss diese als „Referenztätigkeit“ angesehen werden, die gemeinhin als „ Routinefunktion “ bezeichnet wird, d.h. eine einfache Vertriebs- und Marketingtätigkeit ohne einen hohen Integrationsgrad (Veränderung der verkauften Ware) oder ohne besondere Risiken, welche vom Händler getragen werden, fällt in den Anwendungsbereich dieser neuen Regelung.

3. Säule 1 Betrag B: Fremdvergleichsgrundsatzvereinfachungsregeln.

Die Nettomargentransaktionsmethode wurde als die am besten geeignete Methode für die Tätigkeiten ausgewählt, die in den Anwendungsbereich von Säule 1 Betrag B fallen.

Die OECD erkennt die Möglichkeit an, die Methode der unkontrollierten Vergleichspreise anzuwenden, sofern interne Vergleiche verwendet werden.

Mithilfe einer standardisierten mit 15 vorab identifizierte Stufen der Betriebsmarge zwischen 1,5% und 5,5% enthaltenden Preismatrix,  können die so identifizierten Händler den auf ihre Transaktion anwendbaren Fremdvergleichspreis selbst bestimmen, ohne Vergleichsstudien („Benchmark“) durchführen zu müssen.

Um den für den Steuerpflichtigen geltenden Fremdvergleichsgrundsatz im Hinblick auf die Matrix zu bestimmen, sind zwei Kriterien ausschlaggebend:

1. Ein branchenbezogenes Kriterium, das sich auf die vertriebenen Produkte bezieht,

2. Ein Kriterium, das sich auf die Faktorintensität nach zwei Kennzahlen bezieht, nämlich die Intensität des Nettobetriebsvermögens (das Verhältnis zwischen dem Nettobetriebsvermögen und dem Nettoeinkommen) und die Intensität der Betriebsausgaben (das Verhältnis zwischen den Betriebsausgaben und dem Nettoeinkommen).

Die Matrixdaten werden von der OECD alle fünf Jahre aktualisiert.

4. Säule 1 Betrag B: Wie geht die Umsetzung vor sich?

Die Anwendung des Betrags B der Säule 1 liegt im Ermessen der Jurisdiktionen, wobei die erste Anwendung ab dem 1. Januar 2025 erfolgen soll.

Darüber hinaus werden die Gerichte, die sich für die Vereinfachungsanwendung entscheiden, ebenfalls zwei Optionen haben:

– Die Anwendung des vereinfachten Ansatzes durch die Steuerpflichtigen und ihre Steuerverwaltungen vorschreiben,

– Den Steuerpflichtigen erlauben, sich für oder gegen die Anwendung des vereinfachten Ansatzes zu entscheiden.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat Frankreich noch nicht mitgeteilt, ob es bereit ist, Betrag B der Säule 1 ab dem 1. Januar 2025 anzuwenden, und ob diese Regelung im Falle einer Anwendung besteuert wird oder lediglich eine Anwendungsoption für die Steuerpflichtigen darstellt.

Säule 1, Betrag B - eine Präzisierung der Anwendungsregeln, aber Unsicherheit bei der Anwendung.