Wird ein im Ausland angemeldetes Unternehmen von Frankreich aus geleitet, so kann das für den Steuerpflichtigen kostspielige Folgen haben – Erläuterung des jüngsten Urteils des Verwaltungsberufungsgerichts von Paris (Cour Administrative d’Appel de Paris, 11.12.2024, n°23PA01641, Sté Anotech Energy Global Solution Lytd).
Zur Verwendung des Begriffs „Sitz der tatsächlichen Geschäftsleitung“
Die französische Steuerbehörde beruft sich zunehmend auf den Begriff des „Sitzes der tatsächlichen Geschäftsleitung“, um die Eintragung eines Unternehmens im Ausland in Frage zu stellen und dessen gesamte Gewinne in Frankreich besteuern zu können.
So werden oft am Wohnsitz des französischen Leiters eines ausländischen Unternehmens oder in den Räumlichkeiten der französischen Tochter- oder Schwestergesellschaften dieses Unternehmens entsprechende Durchsuchungen durch die Steuerbehörde vorgenommen.
Mit diesen Durchsuchungen und Kontrollen sucht die französische Steuerbehörde nach Beweisen, die belegen, dass die strategischen Entscheidungen und die Leitung der geschäftlichen, rechtlichen, steuerlichen, buchhalterischen, logistischen und sonstigen Angelegenheiten des angeblich ausländischen Unternehmens tatsächlich in Frankreich vorbereitet und getroffen werden, um so die Besteuerung der Gewinne dieses Unternehmens in Frankreich durchsetzen zu können.
Die französische Rechtsprechung des Obersten Verwaltungsgerichts (Conseil d’Etat) definiert den Begriff des „Sitzes der tatsächlichen Geschäftsleitung“ als den Ort, an dem die Personen, die die Geschäftsleitung innehaben oder die wichtigsten Ämter bekleiden, die strategischen Entscheidungen für die gesamte Geschäftsführung des Unternehmens bestimmen.
Auf der Grundlage dieses Begriffs haben die französische Steuerbehörde und das Verwaltungsberufungsgericht in Paris in der vorstehenden Sache ausgeschlossen, dass das fragliche Unternehmen in Großbritannien ansässig war, und sämtliche Gewinne dieses Unternehmens in Frankreich besteuert. Dabei machten sie den Begriff des „tatsächlichen Sitzes der Geschäftsleitung“ mit folgender Begründung geltend:
- Das in Großbritannien angemeldete Unternehmen hatte in Wirklichkeit keinerlei Substanz:
Domizilierung an der Adresse des Rechnungsprüfers, keine Angestellten
- Die Geschäftsleiter waren praktisch nicht in Großbritannien anwesend: Alle Geschäftsleiter des in Großbritannien gemeldeten Unternehmens waren in Frankreich steueransässig; sie bezogen allesamt ihre Vergütung durch die französische Schwestergesellschaft; eine begrenzte Präsenz auf britischem Boden.
- Zahlreiche Geschäftsunterlagen des in Großbritannien gemeldeten Unternehmens wurden in den Räumlichkeiten der französischen Gesellschaft beschlagnahmt: Verträge, Rechnungen, Buchhaltungs- und Rechtsunterlagen, Gehaltsabrechnungen, offizielle Schreiben.
- Die strategischen Entscheidungen wurden in Wirklichkeit in Frankreich vorbereitet und getroffen:
Kein Beweis dafür, dass die Geschäftsleitung die Sitzungen in Großbritannien vorbereitete und dort ihre strategischen Entscheidungen traf.
Mögliche Strafen für das ausländische Unternehmen: ein Zuschlag von 80 %
Abgesehen davon, dass alle Gewinne des im Ausland gemeldeten Unternehmens in Frankreich besteuert werden, geht die französische Finanzverwaltung auch grundsätzlich davon aus, dass mit der Feststellung solcher Umstände eine verdeckte, eigentlich meldepflichtige Tätigkeit in Frankreich aufgedeckt wird, die die Anwendung eines Zuschlages von 80 % rechtfertigt.
Der Nachweis der verdeckten Tätigkeit und die Anwendung eines Zuschlags von 80 % sind nämlich allein dadurch gerechtfertigt, dass das ausländische Unternehmen nicht seinen Meldepflichten in Frankreich nachgekommen ist, wobei es keine Rolle spielt, ob dahinter eine bösgläubige Absicht steckt oder in gutem Glauben gehandelt wurde.
Gegen einen solchen Zuschlag kann jedoch Widerspruch eingelegt werden, sofern das ausländische Unternehmen nicht in einem Staat gemeldet ist, in dem für die Besteuerung deutlich niedrigere Steuersätze als in Frankreich gelten.
Bei international ausgerichteten Konzernen sollten daher die Erklärungen der einzelnen Unternehmen sorgfältig auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden, um einer erheblichen Strafe in Frankreich zu entgehen.
Wenn Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte an unsere Experten, die auch gerne eine Analyse Ihrer Situation durchführen, um zu prüfen, ob Sie Ihren steuerlichen Verpflichtungen in Frankreich nachkommen.