Aktuelles aus der Rechtsprechung – Verbot und Aufhebung von Sonderausschüttungen aus dem Gewinnvortrag

Am Ende eines Geschäftsjahres haben die Gesellschafter im Falle eines Bilanzgewinns verschiedene Möglichkeiten:
  • Entweder die sofortige Ausschüttung des Bilanzgewinns in Form von Dividenden an die Gesellschafter,
  • oder die Einstellung in den „Gewinnvortrag”, bis über die Verwendung des Bilanzgewinns entschieden wird,
  • oder die Einstellung in die „freie Rücklage”.

Über diese Verwendung entscheiden die Gesellschafter bei der Hauptversammlung zur Feststellung des Jahresabschlusses, bei Unternehmen, deren Geschäftsjahr am 31. Dezember N endet spätestens im Juni N+1.

Wenn keine Ausschüttung vorgenommen wird, ist es gängige Praxis, dass der Bilanzgewinn als „Gewinnvortrag” verbucht wird. Anschließend beschließen die Gesellschafter der Gesellschaft in einer außerordentlichen Hauptversammlung, den gesamten Gewinnvortrag auszuschütten.

Diese Praxis wurde von den Wirtschaftsprüfungsgremien akzeptiert. Außerdem wurde diese Praxis auch vom Berufungsgericht Paris (CA Paris, Pôle 5, Ch. 9, 30. Januar 2025, Nr. 22/17478) bestätigt, das feststellte, dass nichts einer außerordentlichen Ausschüttung von Dividenden aus den Gewinnvorträgen und freien Rücklagen außerhalb der Jahresabschluss-Hauptversammlung entgegenstehe.

Mit einer Entscheidung vom 12. Februar 2025 hat der Kassationsgerichtshof (Cass., Com., 12. Februar 2025, Nr. 23-11.410) jedoch festgestellt, dass aus den gesetzlichen Bestimmungen hervorgeht, dass nur die ordentliche Hauptversammlung, die den Jahresabschluss feststellt, über die Ausschüttung der Gewinnvorträge entscheiden kann. Der Beschluss einer Hauptversammlung, über die Ausschüttung einer Dividende aus dem Gewinnvortrag eines früheren Geschäftsjahres kann für nichtig erklärt werden, wenn er nicht von derjenigen getroffen wird, die den Jahresabschluss feststellt.

Der Kassationsgerichtshof ist nämlich der Ansicht, dass Gewinnvorträge automatisch dem Ergebnis des folgenden Geschäftsjahres zugeführt werden und daher nicht ausgeschüttet werden können. Eine Ausschüttung ist nur auf der Hauptversammlung möglich, die den Jahresabschluss zum 31. Dezember N+1 im Juni N+2 feststellt.

Bei der Feststellung des Jahresabschlusses muss daher eine sorgfältige Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns getroffen werden, insbesondere wenn eine Dividendenausschüttung beabsichtigt ist, da sonst im Falle eines Gewinnvortrags ein weiteres Jahr bis zur Ausschüttung gewartet werden muss.

Auch wenn die Diskussion über eine außerordentliche Ausschüttung aus den freien Rücklagen im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung noch offen ist und von der Rechtsdoktrin mehrheitlich akzeptiert zu werden scheint, ermahnen wir die Gesellschafter zur Vorsicht, da aus buchhalterischer Sicht die freie Rücklage und der Gewinnvortrag vergleichbar sind.